Ich bin dann mal in den Urlaub geradelt ...
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- Kategorie: Rad
- 28. July 2021
- Thomas Winter
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Ich bin dann mal in den Urlaub geradelt ...
Vorgeplänkel, Ausführung und Nachbereitung meines aus der Not entstandenen Rad-Projekts.
Vorgeplänkel
Schon im Frühjahr war auf Grunde der COVID Situation abzusehen, dass unser diesjähriger Familienurlaub eine Herausforderung wird. Nach und nach hat sich abgezeichnet, dass Frau und Kind wohl länger Urlaub haben werden als ich. Bald stand der Plan - Camping zuerst in Kärnten, dann in Kroatien und dann nochmals in Kärnten, gefolgt von einem Pfadfinderlager für den Sohnemann. Ich sollte dabei jedoch erst zum zweiten Kärnten-Aufenthalt dazustoßen. Nun bestand die Frage "Wie nachkommen - Zug? Auto? Rad?" Nach ein paar Abklärungen war eine Skibox organisiert und Platz für einen Radträger am Autodach gesichert.
Nachdem der Heimtransport des Rades gesichert, konnten die eigentliche Planung der Anreise per Rad beginnen. Was gab es zu checken - Strecke, Ausrüstung, Fitness, ... Nach erstem Check welche Strecken in Frage kommen zeigten sich Möglichkeiten über den Wechsel und Graz oder direkter über den Semmering. Die Distanzen variierten aber lagen alle bei 300+ Kilometer. Daher wohl ein Wahnsinn es an einem Tag zu fahren, auch wenn mein Ehrgeiz sich das zutraute. Somit als 1-3 Tage Projekt ausgerufen wurde entsprechendes Equipment organisiert und eine Testfahrt damit geplant.
Am 10.06.2021 ergab es sich, dass die Eltern bei den Großeltern im Waldviertel weilten. Ein guter Grund die Großeltern nach einer zu langen COVID-Pause auch endlich mal wieder zu besuchen. Kurzentschlossen wurde das mögliche Equipment für die Tour nach Kärnten gepackt kurz nach 06:00 Uhr Richtung Waldviertel zu starten.
Test-Setup mit "Arschrakete" und Oberrohrtasche.
Bereit für einen Test-Run
Halbzeit in Langenlois
Test lief erfolgreich
Nach einer flachen ersten Hälfte entlang der Donau und durch den Wagram, begleitet von einem zufällig getroffenen 2RadChaoten, war die zweite Hälfte mit einigem Auf und Ab eine interessante Challenge für mich und mein Setup. Letztendlich hat es mir jedoch gezeigt, dass nichts wackelt, ich im akzeptablen Tempo vorankomme und trotz wenig Bergtraining auch die Anstiege zu schaffen sind.
Voller Vorfreude galt es also die noch verbliebenen Arbeitstage durchzuhalten und einen letzten Feinschliff hinsichtlich Route und Equipment zu erledigen. Noch immer offen war jedoch die Frage, ob die Tour nach Kärnten über einen, zwei oder drei Tage von statten gehen soll.
Ausführung
Bis zum Vorabend der Kärnten-Tour (es wurde die Route über den Semmering geplant) war noch immer nicht klar, wie es final laufen wird. Der Kopf war top motiviert und träumte von 300km an einem Tag, während das Training und meine bisher längste Tour um die 160km eher auf eine zwei Tages-Tour hindeuteten. Mein festgelegter Plan lautete also, mal schauen wie es bis Kilometer 200 so läuft, dann wird entschieden ob ich mir eine Unterkunft suche.
Mit diesem Plan, vorbereitetem Rad und 5 Stunden Schlaf, war es am Mittwoch 21.07.2021 also so weit. Um 02:00 Uhr war Tagwache! Noch die letzten Vorbereitungen hinsichtlich Proviant getroffen. Radklamotten an und kurz nach 03:00 Uhr war ich gut beleuchtet und startklar.
Rennrad war gut beleuchtet und startklar
Fahrer trotz der frühen Stunde top motiviert
Die Durchquerung Wiens bei Nacht war eine spannende neue Erfahrung. Nach Querung der Donau und der Hauptallee ging es über den Laaer Berg, vorbei an Oberlaa im Süden aus der Stadt. Im Dunkeln führte mich das Navi über die vorab geplante Route Richtung Thermenradweg, entlang des Wiener Neustädter Kanals. Der Radweg ermöglichte zwar keine Spitzengeschwindigkeiten, bot jedoch ein sicheres Weiterkommen im Dunkeln. Nach ca. 2h Fahrzeit merkte man, dass sich die Sonne bald blicken lässt.
Langsam wird es hell ...
.. und bei Matzendorf zeigt sich die Sonne das erste Mal
Bis Bad Fischau immer parallel zur A2 orientiert, ging es nun über das Steinfeld. Bei St. Egyden am Steinfeld, nach ca. drei Stunden Fahrzeit bot sich an einem Kreisverkehr die Möglichkeit zu einer ersten ausführlicheren Frühstückspause.
Das Bankerl am Kreisverkehr (an dem es obendrauf noch einen Brunnen gab) bot sich als optimaler Rastplatz an
Auch hier war die Sonne zu Gast
Nach eine ausgiebigen Frühstück war das nächste Ziel die 100km Marke. Nach Plan sollte dies am oberen Ende des Semmerings sein. Die Anfahrt zum Fuße des Semmerings erfolgte Teils auf Land- oder Bundesstraßen, jedoch auch auf Radwegen durch Ternitz und Gloggnitz.
Für den Anstieg auf den Semmering wählte ich nicht die Landstraße, sondern die Route über Breitenstein, vorbei am Viadukt. Bis Breitestein ein sehr angenehm zu fahren, hatte der Anstieg dann noch ein paar steile Rampen dabei, wodurch ich mir nach 2/3 des Anstiegs eine weitere kurze Pause gönnte.
Wieder ein Bankerl gefunden genoss ich die Ruhe des Morgens
Nach kurzer Rast hieß es, die letzten Kilometer nach Semmering zu erklimmen, was sich ohne Kenntnis der Strecke dann doch noch etwas ziehte ...
Oben angekommen noch ein Erinnerungsfoto bevor es in die Abfahrt ging
Die ersten 100km also hinter mir, ging es auf der anderen Seite des Berges rasant bergab. Für fast 50km, bis nach Kapfenberg, konnte ich das leichte Gefälle nutzen und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über 30km/h halten. Kurz nach Niklasdorf, wieder ein Bankerl erblickt und bereits 7,5h sowie 170km in Bewegung, war Zeit für eine große Mittagspause.
Mittagspause bei Niklasdorf
Die Mittagspause wurde genutzt um die eigenen Speicher, sowie auch Akku des Navis und der Stoppuhr zu laden. Der Körper fühlte sich gut an und der Wille war da, es vielleicht wirklich an einem Tag durchzuziehen.
Frisch gestärkt ging es bald weiter durch die Steiermark. Ohne Stress genoss ich die Umgebung und rollte so meines Weges. Ein spontan entdeckter Eissaloon in Knittelfeld ließ mich ein weiteres Mal stoppen um mich etwas abzukühlen.
Eisstopp in Knittelfeld
Auch wenn der Eisstopp lecker war, merkte ich danach wenig neue Energie, sondern eher einen Leistungsabfall. Zu lange Pause gemacht? Kein nötiger Energie-Push? Kurz darauf wieder einen kleinen Lebensmittelladen angesteuert um Cola und zusätzliche Energie-Quellen zu organisieren.
Dies war eine gute Entscheidung, denn nach dieser Pause ging es wieder deutlich besser und es ging weiter an Spielberg und Fohnsdorf vorbei. Die Überlegungen mir hier irgendwo eine Unterkunft für die Nacht zu suchen waren zu diesem Zeitpunkt bereits in weite Ferne gerückt. Viel mehr im Fokus war jetzt das Tourziel und somit die 300km Marke.
"War das Ziel zu hoch gegriffen?", diese Frage kam mir kurz nach Scheifling, bei Kilometer 245. Denn hier ging es nun nochmals sieben Kilometer den Perchauer Sattel hinauf. Ein Anstieg der sich ordentlich zog, einen kurzen Zwischenstopp erforderte, aber letztlich auch bezwungen wurde.
Wie nach der "Erklimmung" des Semmerings konnte ich die nächsten Kilometer bergab nutzen um wieder ordentlich Meter zu machen. Teils auf der Bundesstraße, teils auf kleineren Wegen parallel dazu ging es weiter Richtung Kärnten.
Kärnten war bei Kilometer 285 schonmal erreicht
Nachdem Kärnten erreicht war, die geplante Kilometerzahl bekannt war, begann nun das Kilometer zählen. Kilometer um Kilometer stieg die Freude über das Bewußtsein, die Tour wirklich an einem Tag zu schaffen.
Es war also nicht mehr weit bis Sankt Veit an der Glan, wo sich die Family für ein paar Tage bei der Verwandtschaft einquatiert hat. Zwar immer wieder per Handy Nachrichten upgedatet waren sie trotzdem überrascht, als ich letztendlich gegen 19:30 Uhr vor dem Garten anrollte.
Zieleinfahrt in Sankt Veit an der Glan
Nach knapp 302km, einer Netto-Fahrzeit von 13h 22min 47sec und 16,5h unterwegs war es also vollbracht. Meine erste Rad-Tour über 300km an einem Tag absolviert, wieder mit der Family vereint und bereit meinen Urlaub zu genießen.
Fix und fertig - noch nicht ganz realisiert und definitiv urlaubsreif ;)
Wien - Sankt Veit an der Glan
Nachbereitung
Am Tag danach ging es mir überraschend gut. Etwas müde aber ohne wirkliche Schmerzen konnte ich endlich wirklich realisieren, was für einen Tag ich hinter mich gebracht habe. Überglücklich und stolz blicke ich auf diese Tour zurück. Auch hinsichtlich Setup und Wissen über das was möglich ist bin ich nun schlauer und blicke erfreut auf mögliche weitere Projekte.
Was den Urlaub anging, sind wir nach einer weiteren Nacht bei der Verwandtschaft weiter zum Faaker See. Dort Zelt aufgestellt und eine Woche auf dem Wasser, bei Wanderungen und einer kleinen Radrunde mit knapp 40km genossen. Nachdem Sohnemann dann auf den Weg zum Pfadi-Lager geschickt wurde und das Wetter am See schlechter gemeldet wurde, wurden noch zwei Tage in der Therme Bad-Blumau dran gehängt. Ein gemütlicher und verdienter Urlaub :)
Stand-Up Paddling am Faaker See
Wellness in Bad Blumau
Zurück in Wien nun dieser wohl sehr ausführliche Bericht, bei dessen Verfassung ich nochmals die tollen Gefühle und Erfahrungen von vor, während und nach der Tour durchleben durfte.
Schöne sportliche Grüße
Thomas